Im Roman Effi Briest wird Ernst Wicherts Lustspiel „Ein Schritt vom Wege“ kurz vor Weihnachten am „Theaterabend in der Ressource“ aufgeführt. Major von Crampas führte Regie. Effi hatte die Hauptrolle übernommen. Für die Entwicklung der Affäre zwischen Effi und dem Major von Crampas spielte diese Liebhaberaufführung eine entscheidende Rolle.
Im Roman ist dreimal von dem Stück „Ein Schritt vom Wege“ und einmal davon die Rede, dass der Dichter ein Kammergerichtspräsident aus Königsberg sei. (Im Buch 2. Aufl. dazu Näheres auf den Seiten 192 – 196.)
„Nach einem Crampasschen Plane nämlich sollte noch vor Weihnachten ‚Ein Schritt vom Wege‘ aufgeführt werden, […].“ (Kap. 18)
„Der ‚Schritt vom Wege‘ kam wirklich zustande, und gerade weil man nur noch gute vierzehn Tage hatte (die letzte Woche vor Weihnachten war ausgeschlossen), so strengte sich alles an, und es ging vorzüglich; […].“ (Kap. 18)
„‘Ja, Effi, das war ein hübscher Abend. Ich habe mich amüsiert über das hübsche Stück. Und denke dir, der Dichter ist ein Kammergerichtsrat, eigentlich kaum zu glauben. Und noch dazu aus Königsberg. (Kap. 18)
„Die Lampe kam auch. In dem grauen Schirm befanden sich halb durchsichtige Ovale mit Photographien, allerlei Bildnisse seiner Frau, die noch in Kessin, damals, als man den Wichertschen ‚Schritt vom Wege‘ aufgeführt hatte, für die verschiedenen Mitspielenden angefertigt waren.“ (Kap. 27) *
![]() |
![]() |
Ernst Wichert, Kammergerichtsrat in Königsberg, zählte in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zu den populären Autoren. Sein Lustspiel „Ein Schritt vom Wege“ wurde 1871 am Stadttheater in Königsberg uraufgeführt. 1894 erscheinen die ersten Folgen von Effi Briest in der Deutschen Rundschau. Fast 25 Jahre nach der Uraufführung des Stückes kann sich Fontane darauf verlassen, dass kurze Erwähnungen des Stückes und des Namens seines Autors bzw. seiner Funktion als Kammergerichtsrat ausreichen, um bei seiner Leserschaft auf Resonanz zu stoßen. Dass dies so war, dafür spricht die ungebrochene Präsenz Ernst Wicherts in Zeitschriften.
Anlässlich seines 60. Geburtstage liest man in einer Würdigung Ernst Wicherts in der illustrierten Damen-Zeitung Der Bazar,
„wer endlich erinnert sich nicht gern und mit fortwirkendem Wohlgefühl jener graziösen Lustspiele „Ein Narr des Glückes“, „Ein Schritt vom Wege“ […] und so vieler anderer, mit denen uns der Dichter, zum Teil in sorgenvoller Zeit, über die lastenden Kümmernisse des Tages mit liebenswürdigem Lächeln hinweg führte!“ (Der Bazar Nr. 10/1891, S. 96)
Zum selben Anlass veröffentlicht Gustav Dahms in der Zeitschrift Ueber Land und Meer einen Bericht über einen Besuch bei Ernst Wichert. Mit Blick auf das Bücherregal in dessen Arbeitszimmer schreibt Dahms:
„In vier stattlichen Reihen stehen seine Dichtungen in dem Bücherregal vor mir. Dort die lange Reihe jener eigenartigen historischen Romane, durch welche der Dichter weitere Kreise auf die hohe geschichtliche Bedeutung Altpreußens aufmerksam gemacht hat, […]. Endlich alle seine kleineren oder größeren Bühnenwerke, deren Anzahl geradezu erstaunlich ist. Wenn auch ein Teil derselben von der Bühne schneller Abschied genommen hat, als es wohl wünschenswert gewesen wäre, so ist doch die Zahl derjenigen Dichtungen, auf deren glänzende und nachhaltige Erfolge Wichert mit stolzer Freude zurückblicken darf, recht ansehnlich, so vor allem sein Meisterwerk: ‚Ein Schritt vom Wege‘, das sich schon zwei Jahrzehnte lang mit ungewöhnlichem Erfolg auf dem Spielplan unserer Bühnen behauptet; […]. (Dahms 1890/91, S. 510)
*Auch im Roman Frau Jenny Treibel nimmt Fontane Bezug auf Wicherts Lustspiel:
„Diese Treibelei war ein Irrtum, ein ‚Schritt vom Wege‘, wie jetzt, wie du wissen wirst, auch ein Lustspiel heißt, noch dazu von einem Kammergerichtsrat. Das Kammergericht, Gott sei Dank, war immer literarisch. Das Literarische macht frei…“ (Kap. 16)
Abbildungen
Abb. Ernst Wichert – Der Bazar Nr. 10/1891, S. 96
Abb. Ein Schritt vom Wege. Bühnen-Manuskript – Königsberg 1871
Abb. Theaterzettel „Ein Schritt vom Wege“ – Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar. Kunst und Wissenschaft – Hofwesen.
Abb. Ernst Wichert vor seinem Bücherregal – Ueber Land und Meer Nr. 24 1890/91, S. 505
Literatur
Dahms, Gustav: Ein Besuch bei Ernst Wichert. In: Ueber Land und Meer. Deutsche Illustrirte Zeitung 1890/91 Nr. 24, S. 510f.