Worum geht es im Buch?
Falls man Fontanes Roman Effi Briest mit Begriffen wie Kommunikation und Medien in Verbindung bringt, denkt man zuerst an Effis „Briefschreibepassion“ und die verhängnisvollen Liebesbriefe. Die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts war jedoch gekennzeichnet durch eine dynamische Entwicklung der Medien- und Kommunikationskultur. Bei einer genauen Lektüre von Effi Briest finden sich dafür immer wieder Hinweise und eröffnen sich vielfältige Möglichkeiten für Wanderungen durch die Medien- und Kommunikationskultur, vor deren Hintergrund die Handlung des Romans spielt.
Von der Aufführung eines „Lebende Bildes“ ergeben sich Verbindungen zur „optischen Revolution“ und der dadurch ausgelösten „Bilderflut“. Von Bismarck als „Papiermüller“ führt ein direkter Weg zu dem „kulturfördernden Rückgang der Papierpreise“. Schon diese beiden Stichworte machen deutlich, welche Einblicke in die Medien- und Kommunikationskultur sich hier eröffnen. Aufschlussreich auch, wie die Personen des Romans durch ihre Mediennutzung und ihr Kommunikationsverhalten charakterisiert werden.
Da sich der kulturkritische Diskurs zumeist auf die aktuellen Medien konzentriert, kann die Entfaltung einer historischen Perspektive die Diskussion über Medien versachlichen. Nicht zuletzt macht diese Lesart des Romans darauf aufmerksam, wie fragwürdig ein verklärender Blick auf die Kommunikationsverhältnisse der Vergangenheit ist.
Der Rückgriff auf zeitgenössische Kommentare, Berichte, Meldungen und Nachrichten zur Erschließung dieser zumeist scheinbar beiläufig eingestreuten Hinweise und Anspielungen, macht deutlich, in welchem Maße sich Fontane auf das „Mitwissen“ seiner Leserschaft verlassen konnte. Um dies zu zeigen, werden nahezu ausschließlich zeitgenössische Quellen zitiert. Mit der Konzentration auf die populären Familien- und Unterhaltungszeitschriften erfasst man nicht den „Zeitgeist an sich“, wohl aber Stimmungslagen ihres Lesepublikums,
Warum ein Blog zum Buch? Mit dem Blog begann ich nach dem Erscheinen der ersten Auflage des Buches. Ein Blog eröffnet SPIELRÄUME. In diesem Fall für Ergänzungen, die Sinn machen, aber im Buch keinen Platz gefunden hatten. Auf manche Themen und Belege bin ich erst später gestoßen. Vieles kam neu hinzu.
Heute – nach dem Erscheinen der zweiten Auflage – vermittelt der Blog Hinweise darauf, wieso es zu einer „vollständig überarbeiteten und ergänzten Auflage“ kam. An den entsprechenden Stellen im Blog finden sich jetzt Verweise darauf, wo in der neuen Auflage Themen und Belege ausführlicher und intensiver aufgegriffen werden.
Effis Wunsch nach einem japanische Bettschirm
Effi Briest träumt von einem japanischen Bettschirm, „schwarz und goldene Vögel darauf.“ (Kap. 4) Der zeitgenössischen Leserschaft musste nicht erklärt werden, wieso die Tochter eines Rittergutbesitzers aus der Mark Brandenburg auf solche Wünsche verfällt. Effi bewegte sich damit auf der Höhe des modischen Zeitgeschmacks. Ein Indiz hierfür, die ausführliche Berichterstattung in den Medien über eine im Juni 1885 im Berliner Hygiene-Park eröffnete Ausstellung „japanischer Kunstindustrie-Erzeugnisse“.
Wie im Fall von Effis Wunsch nach einem japanischen Bettschirm konnte Fontane sich im Roman auf Anspielungen und „stenographischen Abkürzung“ (Demetz 1964, S. 117) beschränken, da sich diese für das Publikum der auflagenstarken illustrierten Wochen- und Monatszeitschriften sofort erschlossen.

Abb. Wand eines sechsteiligen Klappschirms mit Darstellungen der Jahreszeiten in blühenden Stauden (ca- 1700) – Brinckmann, Justus [1889]: Kunst und Handwerk in Japan. Bd. 1. Berlin: R. Wagner, Kunst- und Verlagshandlung, S. 102
Abb. Reiher und Kraniche in Japan – Illustrirte Zeitung Nr. 1552 vom 29. März 1873, S. 237
Abbildung in der Kopfzeile: Ausschnitt aus einer Anzeige „Bad Ems – Eröffnung der Saison am 1. Mai“. In: Daheim. Ein deutsches Familienblatt mit Illustrationen. Nr. 2231/1886, S. 320
Literatur
Berliner Tageblatt vom 7. Juli 1885, S. 5
Demetz, Peter [1964]: Formen des Realismus: Theodor Fontane. Kritische Untersuchungen. München: Hanser