Nach dem Umzug nach Berlin planen Instettens einen Urlaub im „bayrischen Gebirge„, den sie mit dem Besuch der Passionsspiele in Oberammergau verbinden wollen (Kap. 24). Dieser Besuch muss mit Rücksicht auf die Karrierepläne Instettens verschoben werden. (Im Buch 2. Aufl. „Passionsspiele als Touristenmagnet und Medienevent“ auf den Seiten 100 – 103.)
Wer von Fontanes zeitgenössischer Leserschaft Zugang zu einer der illustrierten Familienzeitschriften und Unterhaltungsblättern wie der Gartenlaube, der Illustrirten Zeitung, Ueber Land und Meer oder Vom Fels zum Meer hatte, wusste, was die Besucher im Jahre 1890 erwartete bzw. war sehr gut darüber informiert, was Instettens durch die Änderung ihrer Urlaubspläne versäumt hatten. (Utschneider 2003, S. 44 – 49)
Im Vorfeld der Passionsspiele wurde in der Gartenlaube ausführlich über die Neuanlage des Passionsspielhauses mit seinen Maschinen und Dekorationen, „die allen praktischen Neuerungen Rechnung tragen, aber zugleich das Wesen der alten Ueberlieferung vollständig wahren wird“, berichtet.
„Litt die Ausstattung der Bühne während der früheren Passionsspiele an mangelhafter Beleuchtung, ja stellenweise an bedauerlicher Verfinsterung, so ist jetzt Vorsorge getroffen, daß die Panoramadekoration sowohl durch das regulirbare Tageslicht als auch durch künstliche Beleuchtung der theilweise durchscheinenden Dekorationsstücke erhellt werden kann. Auch ist für die raschere Verwandlung der Bilder, für Flugwerke zur Himmelfahrt Christi und anderes Vorsorge getroffen.“ (Achleitner 1889, S. 700)
Auch an Sicherheitsmaßnahmen, vergleichbar zu heutigen Großveranstaltungen, war gedacht worden.
„Zehn große Ausgänge führen unmittelbar ins Freie. Um möglichen Unfällen zu begegnen, wird in der Nähe des Passionsspielhauses für die Dauer der Aufführung ein Krankenhaus mit Feuerwehrstation errichtet werden.“ (Achleitner 1889, S. 700)
Dass es sich hier tasächlich um eine Großveranstaltung gehandelt hat, wird deutlich, wenn man sich bewusst macht, dass 1890 im Jahr des geplanten Besuchs in Oberammergau ein Anstieg der Besucherzahlen auf 100.000 Besucher verzeichnet wurde. Aber schon 20 Jahre zuvor war der Ansturm der englischen Besucher und die Geschäftstüchtigkeit der einheimischen Bevölkerung Gegenstand satirischer Kommentare. In den Zeitschriften finden sich jedoch auch Berichte, in denen die „Passionsdörfler“ gegen derartige Angriffe in Schutz genommen werden.
„Freilich, wer nicht vorausbestellt hat, kommt an den Hauptspieltagen im Dorfe selbst schwer unter, aber sicher in Oberau, Ettal oder einem andern der vielen nahegelegenen
Flecken. Oberammergau hat etwa dreitausend Betten zu vergeben (man denke: 3000 Betten bei 1300 Einwohnern!); fast 2000 Menschen können außerdem auf Matratzen oder im Heu kampieren, wenn es nötig sein sollte. Man hat in einzelnen Blättern falsche oder übertriebene Nachrichten über die Preise verbreitet, die geeignet sind, den guten Ruf der Passionsdörfler zu zerstören. Ich habe eine ganze Woche im Orte zugebracht und mich davon überzeugt, daß man diesen ‚Idealisten‘ – denn das sind sie im ganzen und großen wirklich! – schweres Unrecht thut.“ (Misch 1890, S. 296)
Abbildungen
Die Bühne in Oberammergau – Achleitner 1889, S.701
Erinnerung an Oberammergau. In: Fliegende Blätter Nr. 1371/1871, S. 135
Ein kleiner Engländer bittet Mayr=Christus um einen Stammbuchvers. In: Der Bazar. Illustrirte Damen-Zeitschrift Nr 30/1890, S. 296
Literatur
Achleitner, Arthur [1889]: Das neue Passionsspielhaus von Oberammergau. In: Die Gartenlaube Halbheft 22/1889 S. 700 f.
Misch, Robert [1890]: Vom Passionsspiel in Oberammergau. In: Der Bazar. Illustrirte Damen-Zeitschrift Nr. 30/1890, S. 296f
Utschneider, Ludwig [2003]: Bibliographie zur Geschichte Oberammergaus und der Passionsspiele. Oberammergau: Der Ammergau, Schriftenreihe des Historischen Vereins Oberammergau 1999 e.V., Band 3