Nicht nur Effi Briest schwärmte für Japan! – ‚Van Gogh & Japan‘
Inspiration from Japan: Japanese printmaking was one of Vincent’s main sources of inspiration and he became an enthusiastic collector. The prints acted as a catalyst: they taught him a new way of looking at the world.
Fontanes zeitgenössische Leserschaft wusste, aus welchen Quellen sich Effis Interesse an japanischen Einrichtungsgegenständen speiste und konnte auch die Reaktion ihrer Mutter einordnen, die sie sofort warnte, sich vor dem Gerede der Leute in Acht zu nehmen. ( „Effis modische Schwäche für den Orient“ im Buch 2. Aufl. auf den Seiten 22 – 45.)
Welche Aufmerksamkeit Japan und japanisches Kunstgewerbe auf sich zog, zeigt z. B. ein Blick in die Illustrirte Zeitschrift für kunstgewerbliche Dekoration. 1890 erschienen hier Beiträge über die „Japanischen Ledertapeten und ihre Herstellung„, über „Zimmer-Einrichtungen im japanischen Stil„, über „Japanischen Wand-Dekor“ sowie die Beschreibung der japanischen Einrichtungen eines Speisesaals in einem Düsseldorfer Hotel. Im Anzeigenteil der Zeitschrift wurde regelmäßig für dazu passende Angebote geworben. Auch mit Teppichen, vor allem orientalischen Teppichen, denen Effis besondere Aufmerksamkeit galt, beschäftigen sich eine Reihe von Artikeln.
Auf Ausstellungen – z. B: der Internationale Ausstellung von Arbeiten aus edlen Metallen und Legierungen in Nürnberg 1885 – fand das japanische Kunstgewerbe hohe Anerkennung.
„Was die Japaner […] in der modernen Abtheilung an Bronzearbeiten ausgestellt haben, ist so über alle Begriffe vollendet, namentlich technisch, daß ihre Arbeiten geradezu der Glanzpunkt der Ausstellung genannt werden müssen.“ (Gmelin 1885, S. 91)
Zum verspäteten Auftreten Japans auf der europäischen Bühne
Das modische Interesse am Orient reicht bis ins 17. Jahrhundert zurück. Durch die Weltausstellungen in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Trend zum „Exotismus“ lediglich verstärkt und popularisiert. Für die Außendarstellung des kaiserlichen Japans stellte dabei die Wiener Weltausstellung des Jahres 1873 die eigentliche Premiere dar.
Das verspätete Auftreten Japans auf der europäischen Bühne hängt mit der zweihundert Jahre langen Isolation des Landes zusammen. Auf die politischen Veränderungen, die zur Öffnung des Landes führten, wird in der Einleitung des Berichts über die von 1859 bis 1862 von der Preußischen Marine durchgeführte Ostasien-Expedition Bezug genommen.
„In Japan, das sich seit zweihundert Jahren allem Verkehr mit fremden Nationen verschlossen hatte, brachen 1854 Amerika und Russland die Bahn; gleich darauf schlossen auch England, Frankreich und Holland dort Freundschafts- und Schiffahrtsverträge. In kurzen Jahren fiel eine Schranke nach der anderen, und schon 1858 erlangten alle in Ost-Asien vertretenen Mächte unter dem Einfluss der englisch-französischen Siege in China Handelstractate, die mehrere Häfen des entlegenen Inselreiches dem freien Geschäftsverkehr dieser Nationen öffneten, ihnen das Recht der diplomatische Vertretung und des ausgedehntesten Schutzes ihrer Unterthanen in allen rechtmässigen Ansprüchen gesitteter Völker verliehen.“ (Die Preussische Expedition nach Ost-Asien 1864, S. IX)
1873 als der dritte Band des amtlichen Berichts über die „Preußische Expedition nach Ostasien“ erschien, hieß es in einer Ankündigung dieses Werkes, man erkenne erst jetzt den Nutzen dieser Expedition „aus dem regen internationalen Verkehr, der sich zwischen Deutschland und Japan gestaltet hat. Viele junge Japaner leben in Berlin, um sich zu Instructoren in den verschiedensten Fächern der Wissenscahften für ihre Heimath auszubilden. Deutsche Aerzte, Lehrer und Militärs sind oder werden von der Japanischen Regierung dorthin berufen. Japanische Gesandschaften gehöhren in Berlin nicht mehr zu den seltenen Erscheinungen.“ (Deutsches Postarchiv. Beiheft Nr. 6/1873, S. 177)
Die Preußische Expedition nach Ostasien und ihren Leiter, Graf zu Eulenburg, erwähnt Fontane sowohl in den Wanderungen durch die Mark Brandenburg als auch in seiner autobiografischen Schrift Von Zwanzig bis Dreißig. In den Wanderungen erwähnt er ein Brustbild, das den Leiter der Expedition, Friedrich Albrecht Graf zu Eulenburg, zeigt, und spricht davon, dass „japanische Reminiszenzen überall in Liebenberg nachklingen“. Wenn sich die Baronin Berchtesgaden im Roman Der Stechlin in einem Gespräch über Kunst „fürs Japanische: Wasser und drei Binsen und ein Storch daneben“ entscheidet (Kap. 24) deckt sich das mit Fontanes Urteilen über japanische Kunst, die er bei dem Besuch in Liebenberg formuliert.
„In diesen Zimmern läßt sich vom Schaukelstuhl oder morgens vom Bett aus in die Geheimnisse japanischer Kunst eindringen, und ich muß bekennen, manche berühmte Galerie berühmter Städte mit weniger Nutzen überflogen zu haben. All diese Dinge stehen, ihrem Preis und ihrer Prätention nach, nur etwa auf einer Gustav Kühnschen Bilderbogenstufe, sind aber in Hinsicht ihrer Technik ebenso lehrreich wie bedeutsam. Es wird in ihnen die Kunst geübt, einen Effekt oder eine Perspektive mit allergeringsten Mitteln hervorzubringen, und ist mir namentlich allerlei Landschaftliches in Erinnerung geblieben, auf dem der Zeichner oder Maler, aus drei Linien und einem Farbenklecks, einen Binnensee samt Berg und Landzunge vor mich hinzuzaubern wußte.“ (Fontane- Nymphenburger Ausgabe Bd. 13, S. 310)
In seiner autobiografischen Schrift Von Zwanzig bis Dreißige kommt Fontane auf Hermann Maron zu sprechen, den er im Lenau-Verein kennengelernt hatte. Maron nahm später an der Ostasienexpedition teil und veröffentlichte 1863 Reiseskizzen über Japan und China in zwei Bänden.
Wie fremd und unbekannt das Land für Europäer war, wird in dem bereits zitierten Bericht über die Preussische Expedition nach Ost-Asien deutlich. Die Verfasser hielten es für notwendig, dem Bericht „Einleitendes zum Verständnis der japanischen Zustände“ vorauszuschicken.
„Ihre ganze Gesittung ist von der unseren so grundverschieden, dass der Europäer sich dort auf ein anderes Gestirn versetzt glaubt. Japan hinterlässt dem flüchtig Reisenden den Eindruck eines bunten Bilderbuches voll wunderlicher Scenen ohne Text […].“ (Die Preussische Expedition nach Ost-Asien 1864, S. 3)
Es ist sicherlich eine explizit westliche Sicht, wenn Justus Brinkmann, der Direktor des Hamburgischen Museums für Kunst und Gewerbe, im Vorwort zu seinem 1889 veröffentlichten Buch Kunst und Handwerk in Japan die Auffassung vertritt, der durch Kriegsschiffe erzwungene Abschluss von „Freundschaftsverträgen“ habe Weg nicht nur zu „schwungvollen Handelsverkehr“, sondern auch zu einem „Austausch höherer Ordnung“ eröffnet.
„Wenige Jahrzehnte nur sind vergangen, seitdem das japanische Inselreich nach Jahrhunderten der Abgeschlossenheit sich Völkern des Abendlandes wieder geöffnet hat. Diese Zeit genügt, nicht nur einen schwungvollen Handelsverkehr zu entwickeln, sondern auch einen Austausch höherer Ordnung. Das Abendland hat den Japanern die wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften, welche es vor dem Reiche des Mikado voraus hatte, die Grundzüge seiner Gesetzgebung und Verwaltung dargebracht und darüber hinaus begonnen, mit seinen gesellschaftlichen Bräuchen und Sitten auch deren äußere Erscheinung in der Tracht, im Hausrath, in der Baukunst an die Stelle der nach der Vorväter Brauch in Japan üblichen Formen zu setzen. Als Gegengabe für diese unermeßlichen Spenden aus unserem Culturerbe empfingen wir aus dem Lande des fernsten Ostens neue künstlerische Anregungen, welche auf dem Gebiete des Kunstgewerbes und der decorativen Künste von weittragendem, nachhaltigem Einfluß sein werden.“ (Brinckmann 1889, S. VII)
Zu den „Gegengaben“ für die „unermeßlichen Spenden aus unserem Culturerbe“ zählen dann wohl auch die Setzschirme und Klappwände, auf die Brinkmann im Kapitel „Der japanische Hausrath“ zu sprechen kommt. Diese Schirme dienen nach ihm in japanischen Häusern dazu, „innerhalb eines größeren Raumes eine Ecke behaglicher zu umgrenzen oder den unmittelbaren Einblick durch die geöffnete Schiebethüre zu hindern“. (Brinckmann 1889, S. 102)
1873 – Japan auf der Weltausstellung in Wien
„Zum zweitenmale finden wir Japan, das fortschrittfreundlichste Land der ostasiatischen Reiche, an dem friedlichen Wettstreite der Culturstaaten der Erde theilnehmen, und gänzlich verschieden ist die Vertretung des japanesischen Reiches es auf der diesjährigen Ausstellung von jener in Paris. […] Heute finden wir das aus dem Bürgerkriege verjüngt und erstarkt hervorgegangene Japan, den ersten Fortschrittstaat des asiatischen Ostens, sich in würdiger Weise den europäischen Culturgebieten anreihen. In der diesjährigen Weltausstellung hat die Regierung des Mikado die günstigste Gelegenheit erblickt, ein Bild japanischer Cultur und japanischen Gewerbefleisses vor den Augen der civilisirten Menschheit zu entfalten und so die nationale Stellung des Reiches zu befestigen. Wir glauben nicht irre zu gehen, wenn wir dies, sowie die Belebung der Handelsbeziehungen des Reiches zu den Ländern des europäischen Continentes als Hauptzweck hinstellen, welche die Staatsmänner Japans im Auge hatten, als sie die Entsendung einer aus nahezu 50 Mitgliedern bestehenden Commission nach Europa und die Beschickung der Weltausstellung 1873 im grossartigsten Masstabe beschlossen.“ (Internationale Ausstellungs-Zeitung. Beilage der „Neue Freien Presse“. Wien 2. Mai 1873, S. 2)
In den Berichten über die japanische Abteilung auf der Weltausstellung in Wien finden sich dann auch Hinweise auf Effi Briests „Bettschirme„: „Daß die Porzellanindustrie in der Gruppe Japans nicht wenig Raum beansprucht, läßt sich denken. Vasen und andere Gefäße, mit den zierlichen Handmalereien geschmückt, fesseln ebensosehr wie die im eigenthümlichen Geschmack jenes fernen Landes bemalten größern und kleinern Wandschirme.“ (Von der wiener Weltausstellung. In der japanesischen Galerie. In: Illustrirte Zeitung Nr. 1568/1873, S. 46)
Zur medialen Begleitung der Wiener Weltausstellung
Im Vorwort zum ersten Halbjahresband der Leipziger Illustrirten Zeitschrift heißt es:
„Das eigentliche Hauptereignis des Jahrs 1873 ist die am 1. Mai eröffnete wiener Weltausstellung. Eine Reihe anschaulicher Illustrationen und Berichte in dem abgeschlossenen Band geben Zeugniß von der erfolgreichen Thätigkeit unserer an Ort und Stelle befindlichen artistischen und literarischen Mitarbeiter- Im nächsten Band werden wir uns noch eingehender mit dem wichtigen Culturwerk beschäftigten.“ (Illustrirte Zeitung Bd. 60/Januar bis Juni 1873)
Im zweiten Halbjahr der Zeitschrift wird diese Ankündigung durch wöchentliche Berichte über die Weltausstellung in Wort und Bild eingelöst: „Das Hauptereigniß des verflossenen Halbjahrs, das in den Auen des wiener Praters errichtete großartige Culturwerk der Weltausstellung, [nahm] naturgemäß auch in den Spalten des eben abgeschlossenen 61. Bandes der ‚Illustrirten Zeitung‘ den ersten Rang ein.“ (Illustrirte Zeitung Bd. 61 Juli bis Dezember 1873)
Dass die Weltausstellung in Wien in einem durchaus modernen Ausmaß medial begleitet wurde, wird auch aus einer Notiz aus der Illustrirten Zeitung über die Herstellung des Ausstellungskatalogs deutlich:
„Der Druck des wiener Weltausstellungskatalogs […] wird 100 Bogen stark sein, und seine Auflage ist zunächst auf 500.000 Exemplare festgesetzt. Hierzu ist demnach ein Papierquantum von 50 Mill. Bogen oder 100.000 Ries erforderlich. Um diese Massen des Papiers zu bedrucken, müßte eine gewöhnliche Schnellpresse bei unausgesetzter 24stündiger Thätigkeiten 11 Jahre und 7 Monate fortarbeiteten, während 2 Walter-Pressen dieselben Arbeit nebem dem täglichen zweimaligen Druck der ‚Presse‘ in 4 Wochen liefern werden.“ (Illustrirte Zeitung Nr. 1558/1873, S. 351)
Das heißt nicht, dass in allen Medien die Weltausstellung als „großartiges Culturwerk“ gefeiert wurde. Die Berichterstattung in der Familienzeitschrift Die Gartenlaube war eher zurückhaltend. In der satirischen Wochenzeitschrift Kladderadatsch machte man sich im Mai – also kurz nach der Eröffnung – über die Weltausstellung als „Kisten-Ausstellung“ lustig, „was dieser Ausstellung ihr Eigenartiges gibt, ist dies, daß sie im Großen und Ganzen sich als eine Ausstellung von Kisten manifestiert. Kisten von allen Größen, von den verschiedensten Formen und in unglaublicher Menge erfüllen fast sämtliche Räume des Riesenbaues.“ (Zur Wiener Weltausstellung. III. Erstes Schreiben unseres Spezial-Correspondenten für erste und allgemeine Eindrücke. In: Kladderadatsch Nr. 23 vom 18. Mai 1873, S. 90) Aber auch nachdem die Kisten ausgepackt waren, eröffnete sich dem „Spezial-Correspondent“ kein positiver Zugang zur Weltausstellung.
In der Zeitschrift Die Grenzboten greift der Verfasser eines Berichtes über die Weltausstellung die Charakterisierung als „Kisten-Ausstellung“ mit offensichtlichem Vergnügen auf, kommt in seinem Bericht dann zum Ergebnis, die Weltausstellung dürfte inzwischen „doch im Wesentlichen fertig sein und ihren Glanzpunkt erreicht haben. Daß diese Weltausstellung großartig, über alle Maßen großartig ist, unendlich viel Schönes und Interessantes bietet, und daher in hohem Grade sehenswerth ist, kann niemand läugnen. Daß sie aber gelungen ist, bestreite ich.“ (B-au 1873a, S. 25)
In den insgesamt 9 Berichten über die Wiener Ausstellung, die in der Zeitschrift erscheinen, wird Japan nur einmal im Beitrag über die „Nationale Hausindusitrie“ erwähnt. Neben der „überhand nehmenden Nachbildung von Gegenständen alter Kunst“ falle der „Einfluß des Orients“ auf.
„Je näher wir die Kunstindustrie der Orientalen, der Perser, Inder, Chinesen, Japanesen ec. kennen lernen, desto mehr Lehrreiches und Begehrenswerthes finden wir in ihr und wir müssen es als einen großen Fortschritt bezeichnen, daß die Handelsverbindungen mit diesen Völkern jetzt erleichtert, so daß ihre Produkte nun in größerer Anzahl zu uns herüber kommen.“ (B-au 1873b, S. 342)
Japan in Deutschland
Das durch die Wiener Weltausstellung geweckte Interesse an japanischer Kunst und japanischen Kunsthandwerk führt in der Folgezeit zu einer Reihe von Ausstellungen. Für Berlin wurde, wie die Deutsche Bauzeitung 1884 ankündigte, unter der Aegide der japanesischen Regierung [für 1885] eine Ausstellung projektirt, welche ein umfassendes Bild der japanesischen Sitten, namentlich aber des japanesischen Gewerbes (im Betriebe) vorführen soll. Der Ausstellungsplatz am Lehrter Bahnhof soll für diesen Zweck in eine japanesische Ortschaft umgewandelt werden, in welcher nicht weniger als 300 Japanesen Aufenthalt nehmen sollen. (Deutsche Bauzeitung Nr. 52/1884, S. 311)
„Ueber zwölf Jahre ist es her, seit Berlin die erste größere selbständige Ausstellung japanischer Kunstindustrie-Erzeugnisse, damals in den noch sehr bescheidenen Räumen des ‚Deutschen Gewerbemuseums‘, gesehen hat, und es wird noch frisch in der Erinnerung Vieler sein, welche helle Begeisterung die kleine, aber gewählte Sammlung erregte. Was dann zwischendurch die Weltausstellungen gezeigt haben und der Handelsverkehr uns an japanischen Waaren zugeführt hat, konnte nur dazu dienen, einer neuen japanische Ausstellung von vornherein eine günstige Aufnahme zu sichern. Der vor acht Tagen in dem Gebäude des Hygiene-Parks eröffneten Ausstellung waren vollends so vielversprechende Ankündigungen voraufgegangen, daß die Erwartungen sehr hoch gespannt werden mußten. Und in der That ist der Eindruck derselben ein sehr origineller. Eine Anzahl von kleinen Hütten vergegenwärtigt, wenn auch nicht

vollständig und genau oder gar in erschöpfender Verschiedenartigkeit die japanische Wohnhausarchitektur, so doch manche charakteristische Eigenthümlichkeit derselben, welche den Anstrich des Fremdartigen geben; und diese bauliche Anlage, bevölkert von einer erheblichen Anzahl japanesischer Männer, Weiber und Kinder, bildet eine Szenerie, in welcher sich die Kunstthätigkeit der Menschen und die Schöpfungen ihrer Hände zu einem eindrucksvollen Ganzen zusammenschließen.“ (Meyer 1885, S. 5)
Bei diesem „Japanischen Dorf“ handelte es sich nicht um eine der „anthropologisch-zoologischen“ Völkerschauen, wie sie gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Mode kamen, sondern um eine von der japanische Regierung geförderte Aktion im Rahmen ihrer Öffnungspolitik.
Ein japanische Dort mit Häusern, Straßen, Kaufläden, Tempel, Theater, Werkstätten, Theebuden und einigen hundert fleißiger Menschen ist wie durch Zauberhände aus dem fernsten Grenzen Asiens hiergeführt worden. Vor unsern Augen arbeiten und schaffen Schuhmacher, Schneider, Tischler, Böttcher, Sticker, Schirm- und Lampionsfabrikanten, Graveure, Ciseleure, Töpfer, Maler, Tapezierer, Holz- und Elfenbeinschnitzer, Arbeiter für Fantasieartikel.“ (Schubert 1885, S. 60)
Nicht nur die Leipziger Illustrirte Zeitung berichtete ausführlich über das Japanische Dorf. Dem Thema „Japan in Berlin“ widmet der Kladderadatsch im Juli 1885 eine ganze Seite. Fontane kann sich also darauf verlassen, dass seine zeitgenössische Leserschaft wusste, aus welchen Quellen sich Effis Interesse an japanischen Einrichtungsgegenständen speiste und warum auch die Baronin Berchtesgaden im Roman Der Stechlin sich in einem Gespräch über Kunst „fürs Japanische: Wasser und drei Binsen und ein Storch daneben“ entscheidet. (Kap. 24)
Hier spricht die Baronin von Berchtesgaden wohl für den Autor. In den Wanderungen durch die Mark Brandenburg schreibt Fontane, „daß japanische Reminiszenzen überall in Liebenberg nachklingen. Aus der Fülle dessen, was Graf Friedrich Eulenburg von seiner ostasiatischen Gesandtschaftsreise mit heimbrachte, […] In diesen Zimmern läßt sich vom Schaukelstuhl oder morgens vom Bett aus in die Geheimnisse japanischer Kunst eindringen, […]. Es wird in ihnen die Kunst geübt, einen Effekt oder eine Perspektive mit allergeringsten Mitteln hervorzubringen, und ist mir namentlich allerlei Landschaftliches in Erinnerung geblieben, auf dem der Zeichner oder Maler, aus drei Linien und einem Farbenklecks, einen Binnensee samt Berg und Landzunge vor mich hinzuzaubern wußte. Fast möcht‘ ich glauben, daß sich ein Studium dieser Arbeiten und ihrer Technik auch unsererseits verlohnen würde, wie denn bereits Amerikaner und Engländer (ich erinnere nur an die englischen Kinderbücher) allerhand daraus gelernt zu haben scheinen.“ (Fontane-NA Bd. 13, S. 310)

„Die japanische Leih Ausstellung im Kunstgewerbe-Museum zu Berlin“
1892 – also in der Zeit, in der Fontane an dem Roman Effi Briest arbeitete – fand im Kunstgewerbe-Museum in Berlin eine japanische Ausstellung statt. In einem Bericht über diese Ausstellung heißt es: „Einen der am zahlreichsten vertretenen Zweige der japanischen Kunstindustrie bilden die Wandschirme, theils gestickt, theils Handweberei […]. (Siebold Norddeutsche Allgemeine Zeitung Nr. 74/1892, S. 1)
Besondere mediale Aufmerksamkeit zog diese Ausstellung vor allem als Benefiz-Ausstellung auf sich. Im Oktober 1891 war Japan von einem schweren Erdbeben heimgesucht worden, bei dem 500 000 Menschen obdachlos geworden waren. Die Ausstellungsstücke stammten fast ausnahmslos aus privatem Besitz, u. a. auch aus der kaiserlichen Privatsammlung.
„Die Ausstellung war […] hauptsächlich einem wohlthätigen Zweck gewidmet: nämlich – durch die dabei erhobenen Eintrittsgelder etwas zur Unterstützung der durch das fürchterliche Erdbeben im Innern von Japan heimgesuchten Unglücklichen beizutragen. Erfreulich ist, daß die Zwecke von freiwilligen Beiträgen ausgelegte Liste bereits viele Namensschriften und beträchtliche Gaben verzeichnet, welche den besten Beweis liefern, daß das Interesse Deutschlands sich nicht nur für die japanische Kunst begeistern kann, sondern auch den so schwer betroffenen Einwohnern des Landes selbst eine mitfühlende und opferfreudige Gesinnung entgegenbringt.“ (Siebold Norddeutsche Allgemeine Zeitung Nr. 74/1892, S. 2)
„Japan in Deutschland. Ein Beitrag zur neuesten Mode“
Dass das Interesse an Japan nicht auf einzelne Ausstellungstermine begrenzt war, dafür sprechen Illustrationen und Artikel in unterschiedlichsten Zeitschriften.


Damen-Zimmer im japanischen Stil
Zur Entwicklung japanischer Interieurs für europäische Bedürfnisse: „Aber wer japanische Kunstwerke sammelt? Soll der sie in einem öden, leeren, mit Papier und Bambus tapezirten Gemach ohne Behaglichkeit und ohne Möbel aufstellen, bloß weil die kunstbegabten Söhne Dai-Nippons sich in solchen unbehaglichen Scheunen wohl fühlen? […] Was unsere europäischen Bedürfnisse verlangen, ist daran europäisch seinem Wesen nach geblieben; die Zierrathen, das Muster und die Form im Detail sind japanisch. Für Japaner waren die Zimmer nicht bestimmt, Europäer aber fanden sich in demso neuen Element bald heimisch, wie die große Zahl der in diesen Jahren angefertigten Zimmer beweist.“ (R. von Seydlitz 1895, S.97)
Kritik am Japonismus
[…] selbst mit Begeisterung für japanische Kunst hat der Japanismus nur sehr oberflächlich zu tun. Er ist lediglich ein neues rettendes Schlagwort für diejenigen Kreise geworden, deren müdegekitzelten Nerven fortwährend nach Neuem verlangen und deren Gehirnschwund doch selbst nichts Neues zu erfinden vermag. (Anonymus 1892, S. 139)
Japonismus oder Japanismus wird als neuer „Ismus“ und modische Verirrung massiv kritisiert. Bewundernswert sei die unvergleichliche Technik, jedoch fehlten der japanische Kunst „Größe, heroische Leidenschaft, der Trieb ins Ungemessene, weltumspannender Blick und selbstaufopferndes Ringen um transzendentale Erkenntnisse oder um Erweiterung der Lebensziel. Ausgeschmückt durch Berufung auf das klassische Ideal der europäischen Kunst, das Christentum, den „germanischen Geist“ sowie „den wunderbar heroischen Zug, der in der ganzen arischen Mythologie liegt“ (Anonymus 1892, S. 140), wird hier mehr verhandelt als nur Einstellungen zur Kunst. Man fühlt sich in eine Diskussion über „Leitkultur“ versetzt.
„Das Rokoko ist wenigstens aus richtiger europäischer Kunst abgeleitet, wenn es auch auf Seitenwege geraten ist. […] Die Kunst Japans aber steht nicht bloß dem, was wir wünschen und erstreben, entgegen, sondern der ganzen europäischen Kunst wie sie sich aus der klassischen Kunst, fallend und steigen, mit Hilfe von Christentum und germanischem Geiste durch die Jahrhunderte herausgebildet hat. […] Wir verlangen, wenn wir Menschen darstellten, Schönheit der Form oder Individualität, wir verlangen Tiefe des Ausdrucks, Charakter und Empfindung, Beseelung der Form durch geistigen Inhalt. Wir haben die schöne Form von den Griechen gelernt und wollen uns diesen Gewinn nicht rauben lassen; wir haben durch das Christentum die Form beseelt und ihr warmes und tiefes Gefühl eingehaucht; und der Norden ist gekommen und hat der schönen und beseelten Form die individuelle zur Seite gestellt.
Was bietet nun der Japonismus dagegen? Durchaus unschöne Menschen, klein und häßlich wie Karikaturen, typisch einer wie der andere ohne Individualität, höchsten nach den sogenannten ‚Schulen‘ von verschiedener Schablone, im Ausdruck entweder unbedeutend oder drastisch übertrieben bis zur grinsenden Widerwärtigkeit, bei geschickter Darstellung, oft nur mit wenigen Strichen, durchaus nicht ohne Manirirtheit, zuweilen mit Humor und Witz, aber ohne jegliche Anmut. Die Grazien haben nichts mit der figürlichen Kunst der Japaner zu schaffen.“ (von Falke 1891, S. 147)
Der „Kulturaustausch“ zwischen Deutschland und Japan als Gegenstand der Persiflage

In Japan ist die Prüderie nicht zu Hause
Als Effi iher Mutter von ihren Einrichtungswünschen erzählt, schweigt diese.
„»Nun siehst du, Mama, du schweigst und siehst aus, als ob ich etwas besonders Unpassendes gesagt hätte.«
»Nein, Effi, nichts Unpassendes. Und vor deiner Mutter nun schon gewiß nicht. Denn ich kenne dich ja. […] Und wenn du nun nach Kessin kommst, einen kleinen Ort, wo nachts kaum eine Laterne brannt, so lacht man über dergleichen. Und wenn man bloß lachte. Die, die dir ungewogen sind, und solche gibt es immer, sprechen von schlechter Erziehung, und manche sagen auch wohl noch Schlimmeres.«“ (Kap. 4)
Die Vorbehalte und Befürchtungen der Mutter erklären sich wohl kaum allein durch Effis Wunsch nach einer „Ampel […] mit rotem Schein“.
In Matthilde Möhring schenkt die spitznasige Posamentierswitwe Schmädicke der Braut eine „rosafarbne Ampel an drei Ketten“ zur Hochzeit und erklärt, „wenn eine Hochzeit is, schenke ich so was“. (Kap. 12) Als Rebecca Silberstein sich auch so eine Ampel wünscht, vertröstet ihr Vater sie auf ihre Hochzeit, „dann sollst du haben die Ampel, und nicht Rosa sollst du haben, du sollst sie haben in Rubin und sollst haben, wenn du schläfst, einen himmlischen Glanz.“ (Kap. 13)
Anstoß erregt eher der Bezug auf Japan, denn in den Medien ist die aus westlicher Sicht freizügigere Sexualmoral ein häufig angesprochenes Thema. Hermann Maron, einer der Teilnehmer an der Preussischen Expedition nach Ost-Asien, spricht in seinen Reiseskizzen davon, dass in Japan die Prüderie nicht zu Hause sei. Aus seiner poetischen Umschreibung für diese Lebenseinstellung, scheint dabei eine gewisse Sympathie zu sprechen.
„Es ist eine heitere, sonnige, genießliche Lebensanschauung, die Alles beherrscht. Das Symbol des japanischen Volkes ist der Schmetterling; nicht der sich seines leichtfertigen Dranges wohlbewußte, bei allen Blumen schmarotzende Schmetterlings-Stutzer unserer Gesellschaft, sondern der wahre Schmetterling, der, einem unbewußten Naturdrange folgend, in unschuldsvoller Naivetät von Blume zu Blume sich schwingt, um heiteren Lebensgenuß zu schöpfen. Es ist etwas entschieden Griechisches in dieser Lebensanschauung.“ (Maron 1863, S. 164)
Vor zu großer Nähe zu den sich in „unschuldsvoller Naivetät von Blume zu Blume“ schingenden Schmetterlingen wollten sich dagegen die Veranstalter der Weltausstellung in Wien offensichtlich schützen, als man die Errichtung eines japanischen Teehauses auf dem Ausstellungsgelände nicht genehmigt, weil man “ dessen ethnographische Aufgaben […] mit schwarzem Verdacht umhüllte und darin erstickte.“ (Illustrirte Zeitung Nr. 1581/1873 S. 288) Das japanische Teehaus durfte nur im Vauxhallgarten des Praters errichtet werden. Eigentlich, so meint der Verfasser eines Berichts in der Illustriten Zeitung über Das japanische Theehaus im Vauxhallgarten des Praters hätte man es besser wissen können.
„Theehäuser dieser Art stehen in Japan allenthalben an den großen Heerstraßen. Die irrige Auffassung der Bestimmung dieser Theehäuser möge hier ihre Berichtigung finden. Nach dem officiellen Werk über die preußische Expedition nach Ostasien […] sind die Theehäuser, Tscha=ya, Restaurationen, wo man Thee, Saki und andere Getränke und Speisen erhält und wohl zu unterscheiden von den Dschoro=ya, deren Bestimmung minder unschuldig ist. In den meisten Büchern über Japan werden sowohl die Tscha=ya als Dschoro=ya Theehäuser genannt, wodurch das Wort eine verfängliche Bedeutung erhalten hat, die für die Tscha=ya unrichtig ist. Weibliche Bedienung findet man in beiden.“ (Illustrirte Zeitung Nr. 1581/1873 S. 290)

Auch Johannes Justus Rein, der im Auftrag des preußische Handelsministerium 1873 Japan bereiste, schreibt im Kapitel über „Die Familie, Adoption, Erziehung und Unterricht. Individuelle Vergnügen, Theater, Geishas und Yoshiwaras, Beerdigungen“ u.a. über die Geishas: „Von ihrer Moral lässt sich nur sagen, dass sie in der Regel jederzeit bereit sind, mit Zustimmung ihres Herrn aus dem Verbande, in welchem sie stehen, auszutreten, um sich durch Vertrag für einen Monat oder länger an einen Einheimischen oder Fremden zu vermiethen.“ (Rein 1881, S. 500) Und kommt zum Schluß: „Dies Alles und vieles Andere beweist uns, dass die Japaner in diesen Dingen noch auf einer sehr niedrigen Stufe sittlicher Entwicklung stehen und geschlechtliche Excesse nach ihrem sinnlichen Standpunkte milde beurteilen.“ (Rein 1881, S. 501)
Auch die Informationen, die Die Gartenlaube über das „Japanische Frauenleben“ vermittelte, zeichneten kein positiveres Bild. Nach einem mehrjährigen Japanaufenthalt schreibt die Schriftstellerin C.W. Emma Brauns in einem Artikel:
„Daß die Vielweiberei, wenn auch etwas verschleiert durch die bevorzugte Stellung der eigentlich legitimen Gemahlin, noch heutzutage in Japan existirt, ist eine leider nicht abzustreitende Thatsache, und namentlich sind es die reichen und vornehmen Stände, welche dieser Sitte huldigen. Hier spielen die sogenannten ‚Nebenfrauen‘, und zwar durchaus mit Vorwissen der eigentlichen Hausfrau, eine bedeutende Rolle; der ‚Schacher‘ mit diesen Frauenzimmern, der Wechsel derselben hört fast nie auf.“ (Brauns 1886, S. 233)
Abb. Anzeige für japanische Wandschirme. In: Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innen-Dekoration Nr. 1/1890 S. 10
Abb. Wiener Weltausstellung: In der japanischen Galerie – Illustrirte Zeitung Nr. 1568/1873, S. 444
Abb. Japanesische Bettdecke – Lützow 1875, S. 401
Abb. Wiener Welt-Ausstellung – Kladderadatsch Nr 20 /21 Erstes Beiblatt 1873, S. 230
Abb. Damen-Zimmer im japanischen Stil – Seydlitz 1895, S. 101
Abb. Deutsche Cultur und Renaissance in Japan. In: Fliegende Blätter Nr. 2219/1888, S. 54
Abb. Wiener Weltausstellung: Das japanische Theehaus im Vauxhall – Illustrirte Zeitung Nr. 1581/1873, S. 292
Literatur
Anonymus [1892]: Über „Japanismus“. In: Das Kunstgewerbe. Illustrirte Halbmonatsschrift August-Heft/1892, S. 139 – 141
B—au. [1873a]: Weltausstellungsbericht. Allgemeine Uebersicht. In: Die Grenzboten : Zeitschrift für Politik, Literatur und Kunst, Jg. 32/1873, S. 25 – 31
B-au. [1873b]: Weltausstellungsbericht : 8. Die nationale Hausindustrie. In: Die Grenzboten : Zeitschrift für Politik, Literatur und Kunst, Jg. 32/1873, S. 341-345
Brauns, Caroline Wilhelmine Emma [1886]: Japanisches Frauenleben. In: Die Gartenlaube H. 13/1886, S. 232 – 235
Brinckmann, Justus [1889]: Kunst und Handwerk in Japan. Bd. 1. Berlin: R. Wagner, Kunst- und Verlagshandlung
Berg, Albert (Hrsg.) [1864]: Die Preussische Expedition nach Ost-Asien nach amtlichen Quellen , Bd. 1. Berlin: Verlag der königlichen geheimen Ober-Hofbuchdruckerei
Falke, Jakob von [1891]: Der Japonismus. In: Das Kunstgewerbe. Illustrirte Halbmonatsschau H. 16/ 1891, S. 147 – 148 http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kunstgewerbe1890_1891
Gmelin, Leopold [1885]: Internationale Ausstellung von Arbeiten aus edlen Metallen und Legierungen in Nürnberg 1885. In: Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München S. 90 – 100
Lützow, Carl [1875]: Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung. Leipzig: Verlag Seemann
Maron, Hermann [1863]: Japan und China. Reiseskizzen, entworfen während der Preußischen Expedition nach Ost Asien von einem Mitgliede derselben. Bd. 1 Berlin: Otto Janke
Meyer, Bruno [1885]: Von der japanischen Ausstellung. In: Deutsches Montags-Blatt vom 29. Juni 1885, S. 5 f.
Rein, Johannes Justus [1881]: Japan nach Reisen und Studien im Auftrage der Königlich Preussischen Regierung dargestellt. Bd. 1. Natur und Volk des Mikadoreiches. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann
Schubert, Gustav [1885]: Die Japanische Ausstellung in Berlin. In: Leipziger Illustrirte Zeitung Nr. 2194/1885, S. 60
Seydlitz, R. von [1895]: Der japanische Stil für die Innen-Dekoration. In: Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innen-Dekoration. Juni-Heft 1895, S. 97 – 102
Siebold, Alexander von: Die japanische Leih Ausstellung im Kunstgewerbe-Museum zu Berlin. In: Norddeutsche Allgemeine Zeitung vom Nr. 72 vom 12. Februar 1892, S. 1 f. und Nr. 74 vom 13. Februar 1892, S. 1 f.
Von der wiener Weltausstellung. Das japanische Theehaus im Vauxhallgarten des Praters. In: Illustrirte Zeitung Nr. 1581/1873, S. 287, 288, 290